PRESSE für Der kleine Herr der Zeit

 

rhein-main.net vom 26.11.2007

Kindertheater mit Tiefgang

Poetisch und anspruchsvoll - das Theaterhaus-Figurenensemble debütierte am Samstag mit der Premiere von „Der kleine Herr der Zeit“. Die junge Theatergruppe präsentierte sich dabei als Bereicherung der Kindertheater-Szene auf hohem Niveau. Die Bühne des Theaterhauses ist in schwarz gehalten. Das minimalistische Bühnenbild besteht lediglich aus zwei flachen Podesten aus hellem Holz und einigen von der Decke hängenden Bambusstangen. Die Figurenspieler Birte Hebold und Marius Kob sitzen schon zu Beginn auf den Podesten und erwarten ihr kindliches Publikum. Das Licht verlischt und eine aus Klicklauten und Trommelschlägen bestehende Melodie (Komposition: Thorsten Meinhardt) markiert den Anfang des Spiels. Erzählt wird ein Märchen aus dem südamerikanischen Regenwald. Der Indianerjunge Berimodo träumt davon ein Jäger zu sein. Doch er ist noch zu klein, erst wenn eine Pflanze, die er von seinem Vater bekommen hat, so groß wie ein Baum ist, wird auch Berimodo groß genug für die Jagd sein. Der Junge ist ungeduldig, er verwünscht die Zeit, die nicht vergehen will, doch das hat Konsequenzen. Die Zeit selbst erscheint ihm, Berimodos Pflanze, auf die er doch aufpassen sollte, verschwindet und schließlich muss der Junge zusammen mit seiner Freundin, der sprechenden Krähe Guacira, zu dem gefährlichen Panther Uaiuarah aufbrechen, um seine Pflanze zurückzubekommen.  „Der kleine Herr der Zeit“ ist die erste Inszenierung des neugegründeten Theaterhaus-Figurenensembles um Regisseurin Christiane Zanger. Dabei wird schnell deutlich, dass dieses Puppenspiel sich nicht an seine kindlichen Zuschauer anbiedert, im Gegenteil, es verlangt einiges von ihnen. Ebenso wie das Bühnenbild sind auch die Figuren schlicht gehalten (Puppenbau: Nicola Reinmöller). So liegt es ganz bei Birte Hebold und Marius Kob diese Inszenierung mit Leben zu füllen, und das gelingt den beiden Figurenspielern vortrefflich. Birte Hebold führt die Berimodo-Puppe und schnell übersieht der Zuschauer die junge Frau, die eigentlich offensichtlich hinter der Figur kauert. Marius Kob verdeutlicht viele Rollen. Er ist der Erzähler, markiert mit einer Hand voll wehender Papierstreifen den Wind, führt die Krähe Guacira und wird schließlich selbst zu dem Panther Uaiuarah. Der minimale Einsatz von Requisiten und Bühnenbild verlangt ein hohes Maß an Konzentration und Phantasie von den Kindern, doch der Erfolg gibt den Theatermachern recht. Die Augen der Zuschauer sind gebannt auf die Bühne gerichtet. Ohnehin erklingt nur selten ein Laut auf den Rängen, aber als sich Marius Kob in den Panther verwandelt, herrscht Totenstille im Raum. Diese Szene beinhaltet auch die vielleicht größte „Zumutung“ in diesem Puppenspiel für Kinder ab drei Jahren. Das Stück erzählt nicht nur von der Ungeduld und dem „Abwarten-Können“, es erzählt auch von Freundschaft und Tod. Im Kampf mit dem Panther opfert sich die Krähe, um ihren Freund Berimodo zu retten. Zwar wird sie danach in einen Stern am Himmel verwandelt, aber der Vorgang auf der Bühne ist in seiner Eindeutigkeit drastisch und erschütternd. Doch die Kinder im Publikum tragen es mit Fassung.  Das Theaterhaus-Figurenensemble bringt mit „Der kleine Herr der Zeit“ ein poetisches und eben auch anspruchsvolles Märchen für Kinder ab drei Jahren auf die Bühne. Kindertheater ist dem „Erwachsenen-Theater“ hier plötzlich sehr nahe. Wenn auch mit anderen Mitteln wird eine Geschichte erzählt, die nicht nur unterhält, sondern auch berührt und dramatisch ist. Ein Kind, das sich auf dieses Spiel einlässt, wird dadurch möglicherweise reifer. Ob es mit drei Jahren schon reif genug dafür ist, müssen jedoch die Eltern entscheiden.  Florian Gürtler